Wie COVID-19 den Arbeitsmarkt und die Rekrutierung verändert

2020 ist die Arbeitslosigkeit in der Schweiz um 40 Prozent gestiegen. Wie hat sich dies auf den Fachkräftemangel ausgewirkt? Martin Zenklusen zeigt in diesem Artikel auf, worin 2021 die Chancen bestehen und was die aktuellen Rekrutierungstrends sind.

Wie gut funktioniert der Arbeitsmarkt in der Schweiz?

Im Dezember 2020 waren 163’545 Personen arbeitslos gemeldet, dies entspricht einem Anstieg um 40 Prozent innerhalb eines Jahres. 28’557 Stellensuchende (17.5 Prozent) haben im Dezember 2020 eine neue Arbeit gefunden. Die Unterschiede in den verschiedenen Regionen und Branchen sind sehr gross. In vielen Bereichen ist der Fachkräftemangel geblieben; Stellensuchende haben z.B. in der Baunebenbranche mit einer technisch-kaufmännischen Qualifikation im Vertrieb, im Service und der Projektleitung gute Chancen auf eine neue Anstellung. Zudem werden in den nächsten zehn Jahren jedes Jahr mehr Menschen pensioniert als junge in den Arbeitsmarkt eintreten werden. Diese Reduzierung der Arbeitnehmenden wird den Fachkräftemangel weiter verschärfen.

Bei EVOJOB haben wir uns auf Industrie, Handel und die Baunebenbrache spezialisiert. Viele unserer Kunden hatten und haben keine Kurzarbeit; diese Unternehmen investieren in die Zukunft und konnten im letzten Jahr wachsen. Allerdings ist die Wechselbereitschaft der Mitarbeitenden gesunken, was zu einer weiteren Verknappung der Fachkräfte führt. Mit der aktuellen Stellenmeldepflicht sind viele Stellen im Marketing und Vertrieb meldepflichtig geworden. Trotzdem bleibt es oft schwierig, die passende Person zu finden.

So finden wir trotz Fachkräftemangel passende Kandidaten.

Zwei Drittel der Stellen besetzen wir über Direktansprache und Headhunting, wir suchen gezielt nach passenden Kandidaten. Die Gespräche, die wir mit den möglichen Bewerbern führen, drehen sich um Zufriedenheit mit der aktuellen Situation, um Interessen, Ziele, Motive und Wünsche sowie Karriere und Weiterentwicklung. Auch die neuen Herausforderungen und das Arbeitsumfeld bei einem neuen Arbeitgeber gehören zu den Themen, die wir ansprechen. Der Lohn sollte, solange marktüblich, nie die Hauptmotivation für einen Wechsel sein. Mögliche Kandidaten sprechen wir entweder direkt an, nutzen Empfehlungen oder professionelle Plattformen wie LinkedIn, Xing, Experteer usw. Alle offenen Stellen publizieren wir auf unserer Webseite und auf diversen Stellenportalen. Die meisten Vakanzen können wir innert zwei bis drei Monaten besetzen, auch im Jahr 2020 konnten wir unsere Time-to-Hire beibehalten.

Die Digitalisierung verändert den Rekrutierungsprozess.

EVOJOB ist ein digitales Unternehmen. Seit jeher arbeiten wir sowohl am Firmenstandort als auch im Homeoffice. Durch den Wechsel ins Homeoffice und die virtuellen Meetings vermissen wir jedoch die persönlichen Kontakte mit unseren Kunden und Bewerbern.

Die meisten unserer Kunden kennen wir zum Glück seit vielen Jahren persönlich, einige sogar seit über 20 Jahren. In diesen Fällen können wir neue Vakanzen auch am Telefon oder über Microsoft Teams besprechen. Um Neukunden besser zu verstehen und einen persönlichen Eindruck über ihre Firma zu gewinnen, bleibt das persönliche Gespräch vor Ort wichtig.

Die Suche passender Bewerber war bereits vor COVID-19 ein digitaler Prozess. Bei der Beurteilung und Selektion steht der Mensch im Mittelpunkt, das persönliche Kennenlernen bleibt ein wichtiges Element. Wir waren positiv überrascht von den Ergebnissen der Online-Interviews! Nach einer ersten Vorselektion, bestehend aus der Prüfung der Bewerbungsunterlagen und einem kurzen Telefongespräch, führen wir längere, strukturierte Interviews mit den Interessenten. Folgende Erkenntnisse haben wir in den letzten Monaten gewonnen:

Vorteile

  • Bessere Verfügbarkeit der Kandidaten für einen Gesprächstermin
  • Der Bewerbungsprozess läuft schneller
  • Sprache und Mimik gut erfassbar
  • Beurteilung des Umgangs mit PC und Verhaltens in Videokonferenzen

Nachteile

  • Beurteilung der Körpersprache schwierig
  • Gesamteindruck eingeschränkt
  • Beziehungsaufbau beschwerlicher

Als erste Zwischenbilanz ziehen wir ein klar positives Fazit: Auch online können wir Kandidaten sehr gut beurteilen. Der schnellere Bewerbungsprozess ist ein Gewinn für alle.

Auch unsere Kunden sind zwischenzeitlich auf den Geschmack gekommen und entscheiden sich immer öfter für ein virtuelles Vorstellungsgespräch für die erste Gesprächsrunde. Haben wir früher oft Kandidaten zum ersten Interviewtermin vor Ort begleitet, organisieren wir heute diese Gespräche digital, begleiten die Gespräche und gewinnen so einen besseren Eindruck von den Bewerberinnen und Bewerbern. Dies hilft uns, unsere Kunden und Kandidaten in der Entscheidungsfindung optimal zu unterstützen.

Vor der endgültigen Entscheidung für eine neue Stelle oder für einen Bewerber empfehlen wir jeweils ein weiteres, längeres Gespräch am neuen Arbeitsort. Eine Besichtigung des zukünftigen Arbeitsplatzes und das Kennenlernen der möglichen Vorgesetzten und Arbeitskollegen können allen Beteiligten schmerzhafte und teure Fehlentscheide ersparen.

Was muss bei Online-Interviews beachtet werden?

Die Videokonferenzsysteme sind heute ausgereift, die Unterschiede zu einem Gespräch vor Ort sind klein. Trotzdem gilt es ein paar Punkte zu beachten, denn eine gute Vorbereitung ist auch bei einem Online-Termin sehr wichtig.

  • Es gibt nur eine Chance für den ersten Eindruck – auch online!
  • Argumente und Fragen vorbereiten.
  • Kleidung, Frisur und Körperpflege überprüfen.
  • Auf Haltung, Mimik und Blickkontakt im Kamerabild achten.
  • Für ein ruhiges Umfeld sorgen, mögliche Störfaktoren ausschalten.
  • Zugang zum Onlinemeeting vorgängig testen, insbesondere Lichtverhältnisse und Tonqualität.

Fazit

Die aktuelle Arbeitsmarktsituation ist für viele Unternehmen und Stellensuchende in der Schweiz eine grosse Herausforderung und Belastung. Mit etwas Glück wird sich die Lage im Laufe des Jahres 2021 normalisieren; Ökonomen erwarten einen Aufschwung und positive Nachholeffekte. Trotzdem wird der Fachkräftemangel in vielen Branchen bestehen bleiben. Es gilt nun, Chancen zu erkennen und unser Handeln auf langfristige Ziele zu richten, statt nur auf aktuelle Probleme zu fokussieren. Die Digitalisierung wird unser Leben und die Arbeitsprozesse weiter verändern. Deshalb ist es wichtiger denn je, den Menschen als Erfolgsfaktor im Unternehmen wertzuschätzen und in Mitarbeitende zu investieren.